Es war einmal in Mentoran. Das Land mit der sengendsten Hitze der Welt. Ein uralter Fluch machte diese Gegend einst zur lebensfeindlichen Wüste; eine Delegation der Konlirer Archäologenvereinigung bahnte sich ihren Weg durch die Sandmassen, eskortiert von bis an die Zähne bewaffneten Elitesoldaten des 1. Konlirer Wachregiments. Nach den verheerenden Angriffen der Serum-Geister auf menschliche Siedlungen und der brüchigen Waffenruhe, die daraufhin geschlossen wurde, wurden Gerüchte laut über eine Renaissance des Volkes der Taruner, die man seit Jahrhunderten nur noch vereinzelt im Gefolge dunkler Magier oder als eremitische Händler beobachtet hatte. Die Delegation wollte den Berichten über ein seltsames Leuchten, was nachts bis zur Kathedrale von Konlir zu sehen war, nachgehen. Eine erneute Geburtenwelle dieses gefürchteten Kriegervolkes wäre eine Katastrophe für das Volk der Menschen, das seit dem Frieden erstaunliche technologische und wirtschaftliche Fortschritte gemacht hatte. Das Ziel der Karawane war eine alte Tempelanlage südöstlich der malerischen Oase, die als Mittelpunkt des Wüstenreiches galt. Sie waren am Nachmittag, als die Sonne langsam erträglich geworden war, von einem Nomadendorf, wo man freundlich empfangen wurde, aufgebrochen, und zogen nun gen Süden durch eine Schlucht in Richtung des Tempels. Die Nomaden hatten ihnen vom genauen Standort des Tempels erzählt und eindringlich davor gewarnt, ihn aufzusuchen. Sie hatten mit den Tarunern ein stilles Abkommen, dass dafür sorgte, dass ihnen nichts geschah, solange sie nachts in ihren Dörfern blieben und den Tempel sowie die Schlucht mieden, beides Orte, die den Tarunern heilig waren. Mensch/Arbeiter hatten den Forschern selbstaufbauende Notzelte für Sandstürme und den Soldaten neue Waffen mitgegeben, von denen die Soldaten im Stillen hofften, dass sie sie nicht brauchen würden. Taruner galten als vollendete Kämpfer, sie hatten eigene Waffentechnologien und waren schwierige Gegner. Wie sollte man auch Sand töten? Das besonders Beunruhigende war, dass man Taruneraktivitäten nicht nur in Mentoran, sondern angeblich auch im friedlichen Torihn, Lardikia, Urdanien, Krato, einem den Onlos wichtigen Ort, und Delos gesichtet haben wollte. Delos war der zweite Teil des Reiches der Taruner, dort wagte sich allerdings schon lange nicht mal mehr eine Forscherkarawane wie diese hinein; Staubkrieger hatten eine äußert abschreckende Wirkung. Die Schlucht, durch die sie nun wanderten, war einst bekannt dafür, bei den verbliebenen Tarunern einkaufen zu können. Jetzt war sie verlassen und man bangte um die Vorhut der zwei Soldaten, die vorgegangen waren, um sich einen Eindruck von der Umgebung des Wüstentempels zu verschaffen. Wenig später hörte man zwei grauenvolle Schreie, die von einem erst heller, dann wieder dunkler werdenden Leuchten begleitet wurden. Die Eskorte zuckte zusammen und befahl den Forschern, sich zwischen ihren Reittieren zu verstecken und abzuwarten. Die ängstlichen Forscher ließen sich das nicht zweimal sagen und warteten dort, bis plötzlich zwei Pferde auftauchten, auf denen Gestalten saßen. Erleichterung machte sich breit und man wartete ungeduldig darauf, die beiden Späher endlich befragen zu können. Als die Pferde näher kamen, sah man jedoch, dass den Spähern die Köpfe fehlten. Der Eskortenführer riet dem Expeditionsleiter, sofort umzukehren und nur mit einer ganzen Division zurückzukehren. Dieser jedoch glaubte, es handele sich um ein Abschreckungsmanöver der Taruner, die sonst in der Schlucht Waffen verkauft hatten, und befahl, weiterzuziehen. Nach kurzer Zeit war die Schlucht zu beiden Seiten von Säulen gesäumt, der Boden mit prunkvoll verzierten Steinplatten belegt, allerdings kein Taruner zu sehen. Die Tempelanlage konnte nicht mehr weit sein. Schließlich erreichten sie das Ende des Weges: Sie befanden sich etwa eine Kathedralenhöhe über einem großen Tal auf der gegenüberliegenden Seite des Wüstenteils im Süden, im Westen war ein Gebirge, im Osten war Wüste zu sehen. Unter ihnen erstreckte sich das religiöse Zentrum der Taruner, ihre Hauptstadt, ihr Heiligtum und ihre Heimat, der Wüstentempel. Vor ihnen führten Treppen nach unten, doch das beachteten die Forscher gar nicht. Sie blickten auf den Schrecken, der sich ihren Augen bot: Etwa tausend Taruner gleichzeitig formten sich aus scheinbar violett glühendem Sand, der geometrisch angeordnet auf dem Boden angehäuft war. Neben jedem Hügel lag ein Haufen Waffen, von dem der neugeborene Taruner sich seine Ausrüstung nahm und sich mit den anderen in Formation vor dem Haupttempel aufstellte. Aus dem Eingang des Haupttempels kam ein helles Leuchten, und die Taruner verneigten sich. Eine Gestalt kam heraus, offenbar ein Taruner, aber größer als die anderen und begleitet von einem Gefolge von fast genauso stämmigen Tarunern, die wohl seine Leibwache darstellten. Ohne zu merken, dass sie in ihrer exponierten Position gut zu sehen waren und getäuscht von der Illusion, dort oben sicher zu sein, begafften die Forscher und Soldaten die eigenartige Zeremonie, die nun folgte. \"Das muss sowas wie ihr Anführer sein. Beachtet die Insignien auf seiner Rüstung. Er trägt die vereinigten Wappen von Delos und Mentoran, ein Meisterwerk!\\\". Sie beobachteten, wie dieser Taruner, wohl der Zeremonienmeister, plötzlich von einem Wüstenkraken in die Höhe getragen wurde, von wo aus er zu sprechen begann: \"Brüder! Lange, viel zu lange, hat es gedauert, bis wir wieder aufgestanden sind. Die Menschen waren töricht, uns zu Beginn des Serum-Krieges hier in Mentoran zu stellen. Ihr erinnert euch sicher gut daran, wie ihre erdrückende Überzahl uns schließlich in die Knie zwang. Diese Narren! Würden sie ein wenig mehr auf ihre weisen Zauberer hören, wüssten sie, dass ein Taruner, den man im Sand tötet, nicht wirklich stirbt. Brüder! Ich bin viel herumgereist in ihrer Welt als Abenteurer und lasst euch sagen, sie sind faul und fett geworden von dem Frieden und Reichtum, den sie genießen konnten. Es ist Zeit, dass Tedsakria uns gehört! Brüder, wir sind Taruner. Jahrtausende der Kriegskunst und Waffentechnologie haben uns gefürchtet gemacht. Und endlich ist die Magie hier wieder stark genug, damit wir wieder aufstehen können. Brüder! Nehmt eure Waffen und bereitet euch vor. Bald wieder wird niemand das Wort \'Taruner\' in den Mund nehmen, ohne sich an die vielen Legenden über unser Volk zu erinnern, die man wieder erzählen wird. Unsere Schmiede haben wahre Meisterwerke vollbracht: Seht mich an. Seht die Waffen, die ich trage! Brüder! Lasst die Erde erzittern unter dem Gerassel unserer Waffen!\" Der Eskortenführer, ein Veteran des Serum-Kriegs, bekam große Augen. Der Taruner nahm die Hände hinter dem Rücken hervor und entblößte zwei rotglühende feurige Sandäxte, die stärksten Waffen, die ein Taruner ins Feld führen konnte. Sie waren unglaublich heiß und schnitten durch jedwede Rüstung; ein Taruner trainierte sein halbes Leben lang, um sie führen zu können. Sie besaßen nämlich einen magischen Kern, den man erst einmal beherrschen musste. In Konlir gingen Sammler über Leichen, nur um einen Splitter dieser sagenhaften Waffen in den Händen halten zu dürfen. Die Taruner vor ihm blickten ehrfürchtig zu dem Redner auf, während sich hinter ihnen neue Taruner aus den Hügeln formten und zu ihnen gesellten, was der Expeditionsleiter erschrocken zur Kenntnis nahm. Der Redner reckte die Arme zum Himmel und beschwor einen Sandsturm, dabei sah man an seinen Fingern Ringe des Sandwindes, Taruner-Artefakte von enormem Wert. Der Expeditionsleister flüsterte: \"Seht. Deshalb erhalten wir Berichte aus allen Teilen der Welt. Diese Ringe ermöglichen es, an diese Orte zu reisen.\" Der Eskortenführer beriet sich mit seinen Offizieren; diese feurigen Sandäxte hatte man beim Serum-Krieg gar nicht gesehen, die Taruner waren damals mit ihren gewöhnlichen Waffen schon furchtbar genug gewesen. Er beobachtete mit Entsetzen, dass die höheren Offiziere der Taruner auch diese Waffen trugen, wenn auch nur eine. Dass jetzt auch noch ein Sandsturm, ebenfalls eine gefürchtete Waffe der Taruner, im Besitz dieses Anführers war, machte die Sache nur noch schlimmer; er war damit zumindest im Nahkampf unbesiegbar geworden. Der Expeditionsleiter versammelte seine Forscherkollegen und die Begleitsoldaten um sich und sprach: \"Wir haben eine einmalige Chance: Mit einer stark durchschlagenden Armbrust können wir diesen Anführer töten und diesen Wahnsinn vielleicht noch stoppen! Schiesst ihn ab!\" Der Eskortenführer war dagegen, er wollte zurück nach Konlir und mit der gesamten Armee zurückkehren, weil er sich nur noch so eine realistische Chance gegen die Taruner ausrechnete. Schließlich fügte er sich jedoch und sein Adjutant lud die Armbrust, mit der er kurz darauf auf den Mittelpunkt des Sandsturms zielte. Als er feuerte, verschwand der Sandsturm plötzlich und an der Oberfläche des Taruners tauchte ein seltsames Gerät auf, was sich zu drehen und Patronen zu feuern begann, und das mit einer wahnwitzigen Geschwindigkeit. Der Pfeil der Armbrust leuchtete plötzlich und wurde kurz darauf von hunderten Kugeln aus der seltsamen Waffe des Taruners noch im Flug zerrissen. Die Taruner rückten herum, die Menschen oben hielten Maulaffen feil. Der Zeremonienmeister hub an zu sprechen \"Ihr Narren! Dachtet ihr wirklich, wir wüssten nicht, dass ihr da wärt? Wir sind Taruner, wir bestehen aus dem Sand, auf dem ihr seit Tagen herumtrampelt. Was ihr hier gesehen habt, ist der Anfang einer neuen Ära. Mein Name ist Equinox, ich bin von den Göttern gesandt worden, um die Taruner wieder stark zu machen. Und noch stärker: Nicht nur die Mensch/Arbeiter, auch wir Taruner sind gute Ingenieure. Das hier ist ein Nahbereichsverteidigungssystem der Mentoran Experimentalwaffenschmiede AG, es fängt jedes Projektil ab, was auf seinen Träger gefeuert wird; bald geht es in Serie. Geht jetzt; lauft und erzählt jedem, was hier geschieht. Selbst wenn ihr mit eurer jämmerlichen Armee hier antanzt, hilft es euch nichts. Das hier ist unser religiöses Zentrum, nichtmal unser militärisches. In Delos entsteht eine gigantische Festungsanlage, und überall, wo ich gesehen wurde, werden Stützpunkte gebaut. Lauft. Überbringt euren Anführern die Nachricht, dass Equinox ihre bedingungslose Kapitulation mit Freuden annehmen wird. Allerdings wird nicht jeder von euch weglaufen dürfen, niemand versucht ungestraft, mich zu töten.\" Die restlichen Forscher und Soldaten rannten um ihr Leben. Der Taruner murmelte etwas und um die Beine des zitternden Expeditionsleiters schlangen sich Tentakel eines Wüstenkraken, der ihn vor die Füße des Zeremonienmeisters warf. Dieser schlug ihm mit seinen Sandäxten den Kopf ab und warf ihn unter sich auf den Boden, zwischen die Füße der Körper zweier Späher...